…sind dessen Epigonen mit ihren unanständigen Entschädigungen (auch heute noch sehr aktuell).
Kaum scheint die Finanzkrise ihr – vorläufiges – Ende gefunden zu haben, werden wir mit einer neuen Runde der Boni- und Lohnexzesse konfrontiert. Im Schatten des Volkszorns gegen die UBS bedienen sich auch andere Bankmanager wie zu alten Zeiten, wenn nicht sogar noch mehr – als ob sie nicht über eine Staatsgarantie verfügen würden, wenn dieselbe auch nicht so explizit wurde wie bei der UBS. Die Exzesse finden sich aber nicht nur in der Finanzindustrie. Während das Phänomen lange Zeit auf eine geringe Zahl grosser Firmenbeschränkt blieb, beginnt der Boni- und Lohnkrebs immer mehr auch in mittelgrossen Unternehmungen, auch in familienbeherrschten, zu wuchern.
Die Frage der richtigen oder gar gerechten Entschädigung eines Managers oder Verwaltungsrates werden wir zwar niemals richtig beantworten können. Irgendwo muss ein reiner Leistungslohn jedoch eine Grenze haben, zumindest im Verhältnis zu anderen Gehältern. Was darüber hinaus geht, ist eine Knappheitsprämie oder Rente. Bei Roger Federer(RF) wissen wir alle, dass seine Leistung derart einmalig ist, dass sie keine finanzielle Obergrenze kennt. Leistung und Knappheit gehen da Hand in Hand. Unsere Volksseele anerkennt dies neidlos – ja sie ist sogar stolz auf unseren teuren RF.
Die Manager- und Verwaltungsratsgilde versucht uns eben dieses RF-Bild schmackhaft zu machen. Die hohen Löhne und Boni seien auch notwendig, um die Abwanderung der Talente zu vermeiden. Der Nachweis besonders talentierter Führungseigenschaften sind sie uns – bis auf wenige Ausnahmen – schuldig geblieben. Wie ist dann aber eine Entschädigung von 5, 10, 20 oder mehr Millionen zu rechtfertigen?
Schlechte Manager verdienen sicher zu viel!
Wie kann es sein, dass nachgewiesenermassen schlechte Manager und Verwaltungsräte einer Grossbank sich mit enormen, akkumulierten Lohnvermögen in den unbehelligten Ruhestand setzen können oder dürfen. Unser heutiges System – und das ist unzweifelhaft richtig –belohnt schlechte Manager und Verwaltungsräte viel zu gut. Die wenigen guten Manager – so es sie überhaupt gibt – mögen vielleicht wie RF „richtig“, „gerecht“ oder vielleichtleistungsgerecht entschädigt sein – im Aggregat bzw. im Durchschnitt sind sie aber hoffnungslos überbezahlt.
Den gerechten Lohn gibt es zwar nicht. Aber es gibt so etwas wie einen ungerecht hohen Lohn. Die genaue Grenze zwischen beiden kennen wir zwar nicht – aber trotzdem gibt es sie: 30, 20, 10 Millionen Entschädigung pro Jahr liegen sicher im roten Bereich. Da müsste ein Manager oder Verwaltungsrat schon Fähigkeiten haben, die RF-Dimensionen annehmen. Eigentlich müsste man sie zum entsprechenden Nachweis zwingen. Das würde kaum jemandem der heutigen Gilde gelingen – vielleicht mit der Ausnahme eines Dormann, Hayeks oder? Wenn wir so hohe Entschädigungen auch nie als falsch oder ungerecht beweisen können – unanständig sind sie auf jeden Fall. Die klare Mehrheit der Schweizer Bürger ist dieser Auffassung!
Doch eher Monopolrenten
Viele, wenn nicht gar die meisten Manager und Verwaltungsräte kassieren eine verkappte Knappheitsprämie respektive eine Rente, die nicht in einer echten, sondern eher einer künstlichen Konkurrenzsituation begründet ist. Zum Gegenbeweis müssten nämlich unzählige Abwerbungen von Managern und Verwaltungsräten in der Schweiz und über die Grenzen aufgeführt werden können. Nichts von alledem – solche, in einem Markt übliche „Transaktionen“ sieht man höchst selten. Das sind schon eher Hinweise darauf, dass der Markt für Manager und Verwaltungsräte kartellähnliche Strukturen aufweist und die Löhne sowie Boni wohl sehr hohe Monopolrenten beinhalten. Es wäre dann nicht der Markt, sondern viel mehr dessen Ausschaltung, welche die hohen Gehälter erklärt – jedenfalls viel besser als die angeblich herausragende Leistung.
Wirkungslose Abzocker-Initiative
Wer meint, die Minder-Initiative oder ein Gegenvorschlag dazu werde daran etwas ändern, wird eine grosse Enttäuschung erleben. Nichts wird sich ändern. Die Lohn- und Boni-Spirale wird sich weiterdrehen. Vielleicht wird sie sich sogar noch beschleunigen, wie dieblauäugigen Befürworter der Lohntransparenz erfahren mussten. Die Transparenz hat blossdazu geführt, dass jeder Manager und Verwaltungsrat mehr forderte als seine (angeblichen) Konkurrenten, weil er sich in der Tendenz überschätzt – wie die meisten Autofahrer und Anleger auch.
Die Aktionäre könnten heute schon beispielsweise systematisch die Entlastung der entsprechenden Verwaltungsräte und ihre Wiederwahl verweigern, mit dem naheliegenden Argument, dass sie eine ungetreue Geschäftsführung tolerieren und von einer umsichtigen, geschweige denn sorgfältigen Kontrolle derselben kaum die Rede sein kann. Nichts von alledem, im Gegenteil – die grosse Mehrheit der Aktionäre nimmt sogar die unanständigen Vergütungsberichte an. Die Bemühungen von Ethos und deren „Abstimmungserfolge“ vermögen nicht über die grundsätzliche Wehrlosigkeit der Aktionäre hinweg zu täuschen.
Vielleicht ist es aber auch gar nicht deren Ohnmacht. Möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich, dass sie selber ein Teil des Problems sind. Man denke nur an die grosse Mehrheit der Anleger, die ebenso das schnelle Geld sucht wie die Manager und Verwaltungsräte. In vielen Fällen sind es die Analysten, Investmentbanker und die angeblich strategischen Investoren, die die Firmen zu überhöhten Risiken zwingen, weil sie sich miteinstelligen Eigenkapitalrenditen niemals zufrieden geben. Man denke nur an die alte UBS, die just von jenen Kreisen zu einer höheren Eigenkapitalrendite angetrieben wurde, die nunmehr politisches Kapital aus den negativen Folgen dieses Antriebs schlagen – abgesehen davon, dass sie sich “visionär“ mit unanständigen und ungerechtfertigten, formaljuristisch wohl trotzdem legalen Verwaltungsratshonoraren abgelten liessen.
Die Wertschätzung der Arbeit geht verloren
Bei der Debatte geht es nicht nur um Geld und Neid, sondern um volks- und gesellschaftspolitische Aspekte. Wie soll ich meinem Sohn erklären, dass gearbeitet werden muss, um einen Lohn oder einen Bonus zu erhalten. Je grösser die Anstrengung, Leistung und der Einsatz, umso eher wird sich auch ein höherer Lohn einstellen, so lautete unser Credo. Mitandern Worten: Ich muss mein Geld verdienen. Geld verdient man nicht, sondern macht man, ist die Antwort, angelehnt an die anglizistische Formulierung. Die Wertschätzung der Arbeit/Leistung wird verwässert oder geht gar gänzlich verloren und damit ein Grundpfeiler unserer marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung. Bis weit in den oberen Mittelstand wird allmählich die Meinung salonfähig, dass es sich hier um einen organisierten, allerdings formaljuristisch legalisierten Diebstahl handelt. Selbst überzeugte Vertreter der Umwandlungssatzinitiative legten ein Protest-Nein in die Urnen, nur weil auch sie sich an den unanständigen Salären in der Versicherungsindustrie stören. So beginnen die Lohnexzesse sogar am direktdemokratischen Fundament zu rütteln. Es grenzt an eine Aufkündigung des Gesellschaftsvertrages (Prof. Erwin Heri) – wenn sie nicht schon erfolgt ist. Möglich, dass irgendwann soziale Unrast und die breite Hinterfragung der Eigentumsrechte drohen. Dann wäre die marktwirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung in ihrer Existenz gefährdet.
Aufkündigung des Gesellschaftsvertrages
All jene, die vorgeben, den Kapitalismus zu pflegen, ihn aber bloss für ihre ureigensten Interessen missbrauchen, sind die wahren Feinde unseres marktwirtschaftlichen und demokratischen Systems. Sie zu bändigen wird kaum gelingen. Sie müssen von sich aus zur Überzeugung des Masshaltens gelangen. Eigentlich sollten die Personen der Öffentlichkeit, die immer öfter in die Verwaltungsräte gewählt werden, für entsprechende Initiativen sorgen. Allein, es bleibt wohl auch in dieser Hinsicht das ernüchternde Fazit, dass sie sich viel eher für die moralische Rechtfertigung des Systems einspannen lassen – gegen eine üppige Bezahlung wohlgemerkt.
Wenn sich diese letzte Hoffnung ebenfalls zerschlagen sollte, dann bleibt auch einem liberalen Geist kaum eine andere Wahl, als der im Moment noch in der Schublade liegenden Verfassungsinitiative mit folgendem Inhalt zuzustimmen: „Die Gesamtentschädigung (Lohn, Bonus, Pensionskassenbeiträge, Fringe Benefits u.ä.) eines Mitgliedes der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungsrates, einer sich im Streubesitz befindenden Unternehmung, darf das Gehalt der untersten Lohnstufe derselben Unternehmung höchstens um den Faktor 40 übersteigen. Bei Unternehmungen mit Verlusten und/oder Entlassungen und/oder Staatshilfen reduziert sich dieser Faktor auf 20.“ Es ist nicht die Initiative eines „Linken“, sondern die einer parteiunabhängigen Person, die sich um die marktwirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung unseres Landes tiefe Sorgen macht. Im exzessiven Eigeninteresse liegt die fundamentale Zerstörungskraft – das hat schon die Finanzkrise mit aller Deutlichkeit gezeigt.
Dr. Chr. Zenger
27. März 2010